Ich weiß nicht, ob Keuschheit das angesagteste ist, aber ich weiß, dass Keuschheit biblisch ist.

Es ist eines der Zeichen der Verwirrung unserer Zeit, dass so viele Jugendliche und junge Erwachsene sich mehr schämen, sich mit keuschem Zurückhalten zu kleiden, als sich fast ganz auszuziehen. Selbst nachdem wir die richtigen Einwände beachten: „Hübsch oder gut aussehen zu sein ist keine Sünde“. „Das Aussehen verbessern muss nicht Eitelkeit sein“. „Die Grenze zwischen keusch und unkeusch ist nicht immer schwarz und weiß“. Es bleibt immer noch die unbestreitbare biblische Tatsache bestehen, dass Gott Keuschheit als Tugend und ihr Gegenteil als Sünde betrachtet.

Hier sind fünf biblische Gründe, warum Christen die Keuschheit als eine von Gott beabsichtigte und von Gott erwünschte und gute Sache annehmen sollten.

1. Keuschheit schützt das Intime. Es gibt einen gewissen Bewegung im Feminismus, der besagt, dass Frauen stolz auf ihre sexuellen Fähigkeiten sein sollten und dass jede Beharrlichkeit darauf etwas zu verbergen, was sie nicht verbergen wollen, nur dazu dient, die Dominanz des Mannes zu verstärken, dass Männer das Recht haben, zu bestimmen, was Frauen mit ihrem Körper tun. Aber der Aufruf der Bibel zur Keuschheit beruht nicht auf der angeblichen Unanständigkeit der weiblichen Form. Das gute Gebot Gottes, sich zu bedecken, soll nicht strafen, sondern schützen. Wie Wendy Shalit schreibt: Der Druck, der heute auf Mädchen ausgeübt wird, sexy Selfies zu machen, kommt aus einer Kultur, die Keuschheit routinemäßig mit Beschämung gleichsetzt, anstatt sie als das anzuerkennen, was sie wirklich ist: ein Impuls, der schützt, was kostbar und intim ist. Der Refrain der Braut im Buch Hohelied – „Erwecke die Liebe nicht, bis es ihr gefällt“ (Hohelied 2,7) – ist ein Aufruf einer Frau an eine Gruppe alleinstehender Frauen, die sexuelle Erregung und sexuelle Aktivität für die richtige Zeit, mit der richtigen Person, am richtigen Ort aufzubewahren.

2. Keuschheit akzeptiert, dass unsere Körper auch in Gemeinschaft leben. Was bedeutet das? Es bedeutet, dass es zwar schön klingt, wenn man sagt: „Es ist mein Körper. Wenn ich das alles raushängen lassen will, ist das meine Sache“. Doch das bedeutet zu vergessen, dass unser Körper in einem größeren Beziehungsnetz existiert, genau wie unsere Sprache, unsere Handlungen, unser Wille und unsere Wünsche. Wir müssen uns nicht nach den Wünschen anderer kleiden. Und doch wäre es unchristlich, so zu handeln, als ob der geistliche Zustand unseres Nächsten egal wäre.

Bevor ich weitermache, lass mich dies so klar wie möglich sagen: Männer sind verantwortlich für ihren Ehebruch, für ihre Unzucht, für ihren pornographischen Konsum, für ihre Lust und für ihre sexuellen Übergriffe, unabhängig davon, wie eine Frau sich kleidet. Die Bibel gebietet keinem der beiden Geschlechter Keuschheit, weil das andere Geschlecht einfach unfähig ist, seine Hosen anzubehalten und seine Gedanken in Schach zu halten. Hört zu, Männer: Wenn Potiphars Frau hereinplatzen würde, auf eurem Küchentisch einen bauchfreien Gig tanzen und euch bis auf den Geburtstagsanzug ausziehen würde, wärt ihr immer noch nicht entschuldigt, mit ihr Ehebruch zu begehen. Das Fehlen von Keuschheit in einer Person rechtfertigt nicht das Fehlen von Zurückhaltung in einer anderen.

Nachdem das alles gesagt ist, schlägt das Gesetz der Liebe nicht vor, dass wir vermeiden wollen, andere zur Sünde zu verleiten? Der Ausdruck „mit Begehrlichkeit anblickt“ in Matthäus 5,28 wird von einigen Gelehrten (unter ihnen D.A. Carson) übersetzt: „um ihre Begierde zu bekommen“. Es geht also nicht um Lust im Herzen des Mannes, sondern darum, dass der Mann eine Frau dazu bringen will, nach ihm zu begehren. Ob man diese Auslegung akzeptiert oder nicht, es ist immer noch eine faire Anwendung zu denken, dass die Aussage Jesu uns verbietet, eine Herzenseinstellung zu haben, die begehrt und eine Herzenseinstellung, die von anderen begehrt werden will. Manche Menschen wollen Pornographie sehen und andere wollen Pornographie sein. Vielleicht nicht im wörtlichen Sinne, aber es gibt Männer und Frauen, die sich nach der Macht, der Aufmerksamkeit und dem Status sehnen, der entsteht, wenn man bemerkt und begehrt wird. Das verleitet andere zur Sünde und ist in sich selbst sündhaft.

3. Keuschheit geht von der negativen Beurteilung der Bibel in Bezug auf öffentliche Nacktheit nach dem Sündenfall aus. Von Adam und Eva, die sich um Feigenblätter streiten (1.Mo 3,10), über die unehrenhafte Nacktheit Noahs (1.Mo 1,21) bis hin zu den peinlich freiliegenden Gesäßen der Männer Davids (2.Sam 10,4) weiß die Bibel, dass wir in einer gefallenen Welt leben, in der bestimmte Aspekte unseres Körpers verborgen sein sollen. In der Tat ist es genau das, was Paulus andeutet, wenn er von unseren „weniger anständigen Gliedern“ spricht, die mit größerer Anständigkeit oder Keuschheit behandelt werden müssen“ (1.Kor 12,23).

4. Keuschheit umfasst die klare biblische Ermahnung, sich der Sinnlichkeit zu enthalten. Die Sinnlichkeit (Gr: aselgeia) ist ein charakteristisches Merkmal des Fleisches und eines der Kennzeichen der heidnischen Welt (Gal 5,19; Röm 13,13; 2.Kor 12,21; 2.Petr 2,2, 18). Gibt uns das Wort genaue Anweisungen, wo der gute Geschmack in die Sinnlichkeit übergeht – wie lang Röcke sein können, was für einen Badeanzug man tragen muss, oder ob kräftige Männer bei 60 Grad in Michigan ohne Hemd herumlaufen müssen? Nein. Aber wir sind uns sicher einig, dass es nicht ungewöhnlich ist, dass Männer und Frauen sich auf eine Art und Weise kleiden, die das Aussehen und das Gefühl der allgegenwärtigen Sinnlichkeit unserer Kultur nur noch verstärkt. Wenn das Wort aselgeia auf sexuellen Exzess hindeutet, täten wir gut daran zu überlegen, ob der Wunsch hinter unserer Haltung ist, diese sinnliche Bestie auszuhungern oder zu sättigen.

5. Keuschheit zeigt anderen, dass wir wichtigere Dinge zu bieten haben als gutes Aussehen und Sexappeal. Der Aussagen in 1.Tim 2,9 und 1.Petrus 3,3-4 verbieten nicht zu versuchen gut auszusehen. Es ist verboten, sich so sehr darum zu bemühen, in all den eigentlich unwichtigen Dingen gut auszusehen. Die Frage, die in diesen Versen an Frauen gestellt wird – und sie trifft sicherlich auch auf Männer zu – ist folgende: Wirst du die Aufmerksamkeit der Leute mit Haaren und Schmuck und sexy Kleidung erregen oder wird deine Anwesenheit im Raum aufgrund deines christusähnlichen Charakters unverkennbar sein? Unkeusche Kleidung sagt der Welt: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich mehr zu bieten habe als das. Was du siehst, ist wirklich alles, was du bekommst“.

Lass mich das Offensichtliche sagen: Die Bibel hat keine Bilder. Es gibt keine inspirierte Anleitung, wie man sich morgens anzieht. Es gibt Fragen der Kultur, des Gewissens und des Zusammenhangs, die sicherlich eine Rolle spielen. Ich habe keine Checkliste, die du abhaken kannst, bevor du zur Tür rausgehst.

Aber wenn man der Bibel glauben will, ist diese ganze Sache mit der Keuschheit für die christliche Nachfolge nicht unwesentlich. Dein Körper ist mit einem hohen Preis erkauft. Darum verherrliche Gott mit deinem Leib (1.Kor 6,20). Das bedeutet, dass wir nicht jedem alles Sehenswerte zeigen. Und es bedeutet, dass es uns nicht peinlich ist, die kostbarsten Dinge möglichst privat zu halten. Scham ist ein wichtiges Thema, in der Bibel und für uns heute. Der Schlüssel ist zu wissen, für welche Dinge wir uns eigentlich schämen sollten.

Von Kevin DeYoung. Used with permission from The Gospel Coalition.
Übersetzt vom dem Artikel „The Lost Virtue of Modesty“