Die Eltern Anita und Paul erzählen von Melissa

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Aus Gnade geschenkt

„Deine Augen sahen mich schon, als mein Leben im Leib meiner Mutter entstand. Alle Tage, die noch kommen sollten, waren in deinem Buch bereits aufgeschrieben, bevor noch einer von ihnen eintraf. Wie kostbar sind für mich deine Gedanken, o Gott, es sind unbegreiflich viele!“ (Psalm 139,16‬—17)

Die Freude war groß, als wir erfuhren, dass wir ein zweites Kind erwarteten. Kinder sind eine Gabe Gottes, eine riesige Freude. Aus großen Familien kommend, war der Wunsch nach mehreren Kindern immer da gewesen. Wir freuten uns bald für einen zweiten kleinen Menschen sorgen zu dürfen und auch, dass Amy nun ein Geschwisterkind bekommt. Sie würde lernen, für jemanden zu sorgen, Rücksicht zu nehmen, zu teilen und zusammenzuspielen. Mit dem kleinen Abstand wird es sicher schön für beide Kinder werden. Sie werden enge Freunde werden. Zusammen im Buddelkasten sitzen, zusammen schaukeln.

Die Untersuchungen bei der Feindiagnostik führten jedoch zu plötzlichem Kummer und riesiger Sorge um unser Baby. Es war von einem schweren Herzfehler, Hirnfehlbildungen und anderen Problemen die Rede. Damit hatten wir überhaupt nicht gerechnet. Wird unser Baby überhaupt überlebensfähig sein? Wie stark wird die Behinderung sein? Oder wird es schon im Mutterleib versterben? 

Jeder neue Arzt erwähnte die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs. Doch für uns war ganz klar: Dieses Baby gehört zu uns! Der Herr gibt und nimmt das Leben. 

Viele Untersuchungen folgten, die Prognosen blieben immer vage und ungewiss und beinhalteten viele Warnungen von ärztlicher Seite.

Später erfuhren wir: Ein fehlendes Gen auf dem 2. Chromosom war für das Mowat-Wilson-Syndrom verantwortlich. Die größte Herausforderung würde werden: Unser Baby müsste mit einem halben Herzen durchkommen.

Melissa Melody Walger erblickte dann am 12. April 2022 das Licht der Welt. Die Ärzte und Schwestern kümmerten sich um sie. Wir konnten erst nach einer gefühlten Ewigkeit zu ihr. Sie atmete und lebte! So klein und süß.

Aus Gnade bewahrt

Intensivstation, Zugänge, Überwachungskabel, Mundschutz, ständiges Händedesinfizieren, Arztvisiten, Schichtwechsel, die Milchpumpe – Mamas ständiger Begleiter – , das Surren des Blutdruckmessgerätes, der Alarm des Monitors, Versorgungsrunden …

Das wurde unser neuer Alltag für den Start deines Lebens und für viele Krankenhausaufenthalte, die darauf folgten.

Melissa, wir haben mit dir viele, viele gesundheitliche Herausforderungen durchlebt: 3 Darmoperationen, 2 Herzoperationen, einige Wochen mit künstlichem Darmausgang, später tägliche Darmspülungen. Du wurdest fast vollständig über eine Magensonde ernährt, aber mit dem Blick und der Hoffnung, dass du weiterhin schlucken lernst und später vielleicht ohne Sonde auskommst. Dein linker Arm erlitt unbemerkt einen Bruch, die Nerven geschädigt, er hing nur noch schlaff herunter und wir wussten nicht, ob du ihn jemals wieder benutzen kannst – aber es wurde besser mit deinem Arm. 

Untersuchungen ergaben, dass dein linkes Ohr taub und dein rechtes Ohr schwerhörig war. Du bekamst ein Hörgerät. Die Wimpern deines linken Auges wuchsen etwas nach innen und rieben an deiner Hornhaut. Deine Augen waren oft rot und manchmal entzündet. Häufige Bauchschmerzen und häufiges Spucken machten dir wohl am meisten zu schaffen, und auch für uns war es immer schwer mit anzusehen.

Dein Leben zeugte und schrie förmlich von den Folgen des Sündenfalls. Wir leben hier auf einer fluchbeladenen Erde. In der Bibel heißt es, dass die “ganze Schöpfung mitseufzt” (Röm 8,22). Wir erwarten den Himmel, wo es keine Sünde, keine Krankheit und kein Leid mehr geben wird.

Angesichts der aufgezählten Leiden ist der mitleidige Blick des Arztes kurz vor Melissas Tod verständlich, als Mama am Ende eines Gesprächs sagte: „Gott weiß, was er mit uns macht“.

Wir fragten uns oft sehnsüchtig, wie lange das noch so bleiben würde. Wann würden wir einen „normalen“ Alltag haben können? Aber dann erinnerten wir uns daran, dass Gott die Zeiten kennt und bestimmt. Immer wieder haben wir Pläne gemacht und ein paar Stunden später mussten wir alles wieder umplanen. Wir mussten lernen, unsere Pläne mit Bleistift aufzuschreiben, denn Gott liebt es, den Radiergummi zu benutzen. 

Wir waren oft erschöpft, immer wieder bittend „Herr, gib Weisheit“, viel beschäftigt mit Papieren, Rezepten und Kontakten zu Ärzten, Lieferanten und Therapeuten. In diesen schweren Zeiten merkten wir umso mehr, wie viel sündiger Egoismus noch in unseren Herzen wohnte.

Aber Gottes Fürsorge für Melissa und uns war stets treu.

  • Gottes Wort war uns stets ein Fels in der Brandung.
  • Gott richtete uns auf und lehrte uns aufopfernd zu leben, indem wir Gottes liebende und gütige Hände für Melissa sein sollten.
  • Gott sammelte und vermehrte die Zahl der Beter für Melissa. 
  • Gott befähigte Ärzte zu Diagnosen, Behandlungen und Operationen.
  • Gott gebrauchte die Hände vieler Schwestern und Pfleger, die Melissa treu, aufmerksam und freundlich pflegten.
  • Gott schickte praktische Hilfe durch verschiedene Menschen, damit wir mehr Zeit für Melissas Pflege und die vielen Arzttermine hatten.
  • Gott schenkte uns eine Kinderärztin, die sich immer wieder spontan und unkompliziert Zeit nahm, um Melissas Infekte zu beurteilen.

Mit Melissas Gendefekt war klar, dass sie vieles in ihrem Leben nicht lernen würde. Wird sie lachen können, war die Frage und das Gebet in den ersten Lebensmonaten. Dann, bei einem Aufenthalt in der Charité, erstrahlte ihr Lächeln zum ersten Mal. Von da an wurde es mehr und größer und fröhlicher. Oft wachte Melissa nach einem guten Schlaf auf, begann zu erzählen und freute sich sichtlich über ihr Spielzeug. Sie freute sich über jedes Geräusch, jede Berührung, jeden Kuss. Sie lachte, wenn jemand hustete. Niemand hat sich so ausdauernd, so ehrlich, so mitreißend, so herzlich über jede liebevolle Zuwendung gefreut. Papa war stolz auf seine kleine Tochter, wir haben uns nie für sie geschämt. Von Melissa haben wir viel gelernt. Sie war soviel fröhlich, auch wenn sie viel gelitten hat. Oft hatte sie Infektionen. Oft Bauchschmerzen. Oft Probleme mit den Augen. Aber sie konnte oft lachen und sich über kleine Aufmerksamkeiten freuen. Gott hat dieses Mädchen so einzigartig schön gemacht. Mit welcher Künstlerhand hat er in einen so gebrochenen Körper ein so geniales, anmutiges, lustiges, den Nächsten beschenkendes und liebevolles Wesen hineingelegt? 

Melissa hatte eine unbeschreiblich wertvolle Beziehung zu ihrer Schwester Amy. Ihre Zuneigung zueinander, ihre Freude aneinander kann man nicht in Worte fassen. Wir konnten kaum den Blick abwenden, wenn die beiden wieder einmal viel Freude aneinander hatten und sich im Bett aneinander schmiegten. Liebevolle, lustige und manchmal auch kindlich alberne Geräusche von Amy waren ausreichend, um Melissa ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern und sie zu unterhalten. Melissa liebte es, in ihrem Therapiestuhl zu sitzen und sich drehen zu lassen. Sie lachte, wenn Papa sie sanft in die Luft warf. „Melissa tut nie etwas Böses. Sie liebt Jesus und Jesus liebt sie.“ sagte Amy oft.

Aus Gnade genommen

In diesem Winter wurde Melissas Wohlbefinden von einer Infektion nach der anderen überschattet. Sie war fast ununterbrochen am Monitor, um ihre Werte zu überwachen und die Sauerstoffzufuhr zu regulieren. Dann kam der nächste Infekt. In der Nacht fing sie an zu weinen und bekam nicht genug Luft. Aus der Notaufnahme ging es auf die Intensivstation.

Am Sonntag durfte Papa predigen und verabschiedete sich von Melissa mit dem Lied “Jesus liebt mich ganz gewiss, denn die Bibel sagt mir dies. Groß und klein gehören ihm – wir sind schwach, aber er ist stark. Ja, Jesus liebt mich. Ja, Jesus liebt mich. Ja, Jesus liebt mich, die Bibel sagt mit dies.” Er ahnte nicht, wie wertvoll dieser Moment für ihn sein würde. Als sich ihr Zustand in den Vormittagsstunden verschlechterte, wurde sie intubiert. Ihre Lunge versagte. Melissa musste wiederbelebt und währenddessen an eine ECMO-Maschine angeschlossen werden. Das ist eine Maschine, die die Lungenfunktion übernimmt und das Blut mit Sauerstoff anreichert. 

Die Wahrscheinlichkeit war sehr hoch, dass Melissa unter der Reanimation schwere Organschäden erlitten hatte. Nach ein paar Tagen saßen wir gemeinsam an Melissas Bett, als eine wichtige neurologische Untersuchung erfolgte. Sie zeigte eine massive Hirnschädigung auf. Immer haben wir Melissa durch Gottes Gnade mit offenen Händen gehalten. In dieser Stunde ließen wir sie mit Tränen über das Leid und Freude über ihre Erlösung innerlich los. Wir waren so dankbar, dass wir in diesem entscheidenden Moment zusammen waren. wieder beteten wir und schütteten unser Herz vor Gott aus. Der Herr gab uns Gewissheit, dass wir Melissa gehen lassen wollten und konnten. Das wurde auch von den Ärzten einstimmig bestätigt.

Nach einem Gespräch mit Amy beschloss Paul am Donnerstagabend gemeinsam mit ihr zu Melissa und Anita zu fahren. Amy brach in Tränen aus, weil sie verstand, dass jetzt die Zeit gekommen war, sich von ihrer geliebten Missa zu verabschieden. Wir weinten zusammen für einige Minuten. In dieser Zeit kam die Oma dazu und Amy rief ihr zu: “Heute ist der traurigste Tag. Melissa geht bald in die Himmelsstadt.” In den vergangenen Monaten hatten wir oft das Buch “Die Pilgerreise für kleine Pilger” gelesen, das so schön den Weg eines Christen in die Himmelsstadt beschreibt. 

In Melissas Krankenzimmer wollte Amy zuerst Melissa streicheln und ihre Hand halten. Das war ihre morgendliche Angewohnheit von Zuhause. Am Bettchen sitzend fand unsere letzte Familienandacht mit unserer geliebten Missa-Mausi statt. Wir beteten, lasen die Bibel aus Offenbarung 21 und sangen laut. Es war so schön. Ganz leise sagte Amy vor dem Losgehen zu ihrer Schwester: “Tschüss, Missa”.

Die „lebenserhaltenden Maßnahmen“ wurden am Freitag eingestellt. Melissa ist friedlich eingeschlafen. Ihr Herz hatte aufgehört zu schlagen.

So viel ist in diesen Tagen in uns vorgegangen. Die Sehnsucht nach Genesung hier, aber auch die Sehnsucht nach dem Himmel und der Erlösung von den Leiden für Melissa. Wir freuen uns über die Liebe, Wärme und Herrlichkeit, die unser himmlischer Vater ihr nun schenkt. Nach einem Leben mit viel Leid, Liebe, Lernen, unbeschreiblicher Freude und dem schönsten Lachen der Welt. Auf dieser Erde hat Melissa ihren Lauf vollendet und kehrt zur Freude ihres himmlischen Vaters ein. 

Was viele in 90 Jahren an Leid erleben, hat Melissa in 2 Jahren erlebt. Aber sie hat auch mehr Liebe, Freude und Gebet erfahren als viele andere in 90 Jahren. Melissa hinterlässt tiefe Spuren in unserem Leben. Sie erinnert uns daran, dass wir unser kurzes Leben hier nicht vergeuden dürfen. Sie hat uns gelehrt zu beten und zu erwarten, dass Gott Gebet erhört. Sie hat uns vorgelebt, wie man sich an den kleinen Dingen des Lebens erfreuen kann. Ihr Umzug in den Himmel erinnert uns, dass jeder von uns eine ewige Seele hat.

Melissas Geschichte ist nicht vorbei. Sie ist im Himmel und wartet auf die Auferstehung mit uns. Jesus sagte: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt“. Jeder, der an ihn glaubt, hat durch seinen Tod am Kreuz Vergebung der Schuld und darf sich auf das ewige Leben freuen. Glaubst du daran?