„Denn die Liebe Christi drängt uns…“
Johann Friesen, Berlin-Hellersdorf
Wir, das heißt meine liebe Frau Elfi und ich, hatten das große Vorrecht in gläubigen Elternhäusern aufzuwachsen. Unsere Kindheit verbrachten wir beide in der ehemaligen UDSSR und erlernten dort neben unserer Muttersprache Deutsch auch die russische Sprache. Elfi kam 1974, ich 1976 als bereits wiedergeborener Christ nach Paderborn. Hier lernten wir uns kennen und heirateten 1980. Es war unser Wunsch, dass der Herr unser Leben gebraucht und suchten seinen Willen für unser nun gemeinsames Leben. Der Wunsch, sich durch eine Bibelschule zurüsten zu lassen, blieb unerfüllt. Von 1981 an arbeitete ich in der Jugendarbeit mit und predigte im Gottesdienst. Doch alles fing mit dem praktischen Dienst „Hilfeleistung“ bei anderen Geschwistern an. Da die Familie wuchs, bauten wir ein Haus in Paderborn. Das Leben hatte eine gewisse Regelmäßigkeit bekommen. Doch bei Missionsberichten in der Gemeinde, Jugend und der Bibelschule Brake merkte ich, dass mein Herz besonders für verlorene Menschen schlug. Da für mich der Zug bereits abgefahren erschien, ermutigte ich andere Jugendliche in die Mission zu gehen.
1988 – wir erwarteten gerade unser fünftes Kind – rief der Herr mich zur Bibelschule Brake. Dieser Ruf kam etwas unerwartet. Wir hatten als Jugendleiter mehrerer Gemeinden ein Treffen organisiert. Die Botschaft war über den verlorenen Sohn aus Luk 15. Zuerst dachte ich, das kenn ich schon alles … und ich „träumte“ von dem nicht erfüllten Wunsch „Bibelschule“. Im Zweiten Sohn, der dem Vater diente, musste ich mich auf einmal wieder erkennen.
Auf die Frage, wie ich meine Familie während der drei Jahre Bibelschule ernähren sollte, kam prompt die Antwort vom Vater aus Luk 15,31: „Kind, du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, ist dein.“ Diese Zusage ermutigte mich und ich kam mit der Frage: „Schatz, gehst du mit?“ nach Hause. Die Antwort kam prompt: „Ich habe einmal ja gesagt, und wo du hingehst, da geh ich auch hin.“ In der Bibelschulzeit schenkte der Herr uns ein weiteres Kind und ich hielt Ausschau nach einer Missionarsfamilie mit 6 Kindern. War es noch möglich in die Mission zu gehen? Der Herr hielt seine Zusage: Er sorgte während der ganzen Bibelschulzeit für uns.
Im zweiten Praktikumsjahr bestätigte der Herr das Anliegen „Gemeindegründungsarbeit“, aber die Frage des Dienstortes stand weiter offen. Die Grenze fiel und der Herr zeigte uns die in Ost-Deutschland stationierte russische Armee, die offen für das Evangelium war und in ein paar Jahren abziehen würde. Auf mein Anliegen, das dritte Praktikum in Ostdeutschland unter den russischen Soldaten zu machen und eventuell für den weiteren Dienst auch mit der Familie umzuziehen, sagte der Älteste unser Gemeinde nur: „Johann, wo willst du hin? Du hast sechs Kinder, ein Haus, Gemeinde, Dienstmöglichkeit, Verwandtschaft, …“ Ich antwortete: „Ich will nirgends hin. Ich habe nur den Eindruck, dass der Herr uns dahin führt. Ich erwarte keine finanzielle Unterstützung, aber auf eure Gebete und den Segen der Gemeinde kann ich nicht verzichten. Frag doch die Gemeinde.“ Die Gemeinde stimmte unserem Vorhaben zu.
Nachdem ich das erste Mal mit anderen Geschwistern von einem Einsatz zurückkam, erhielt ich einen Anruf aus Berlin: „Johann Friesen, stimmt es, dass du bereit bist in Ost-Deutschland unter den Russen zu arbeiten? Bitte komm und hilf uns! Hier gibt es suchende Menschen, aber wir können die Sprache nicht.“ So begann unsere Arbeit mit der Kontaktmission im Mai 1991 in Zeesen, einem kleinen Ort südlich von Berlin. Der Herr öffnete die Herzen vieler Menschen und schenkte neues Leben.
Ich war ständig auf der Suche nach Geschwistern, die mitarbeiten und mitbeten würden. Nach einem Jahr überzeugte der Herr unsere Heimatgemeinde in Paderborn, uns als vollzeitige Missionare zu unterstützen. Dies tut sie bis heute in Gebet, praktischer Mitarbeit und finanzieller Zuwendung. Preis dem Herrn!
Der Ort, den der Herr für uns vorgesehen hatte, war Wünsdorf, die Hauptgarnison des russischen Militärs mit 40.000 Menschen. Eine gläubige alte Schwester, die gerade schon eine betreute Wohnung in Berlin gefunden hatte, flehte zum Herrn, dass ihr mit Gebet gebautes Haus gläubigen Mietern weitergegeben werden konnte. Auf den Tag genau führte der Herr unsere Wege zusammen – auch wenn dazwischen fast 500 km lagen. Wir konnten auf jedem Schritt das Wirken unseres Herrn sehen.
Auch schenkte der Herr der Gemeinde in Wünsdorf ein Herz für Verlorene – so durften wir nicht nur ihre Räumlichkeiten nutzen, sondern auch gemeinsam den russischen Kindern, Jugendlichen, Erwachsenen (Soldaten, Offiziere, Lehrer, Ärzte, …) dienen. Auch einige Aussiedler und russische Juden aus Berlin ließen sich einladen und kamen zum Glauben.
Im Sommer 1994 zogen die letzen Einheiten des Militärs ab. Viele Menschen aus den verschiedensten Gebieten der ehemaligen Sowjetunion hatten in diesen Jahren den Herrn Jesus als persönlichen Erretter kennen gelernt und bezeugen nun in ihrer Heimat ihren Glauben. Es war eine einmalige Gelegenheit, so ein großes Terrain mit dem Evangelium zu erreichen. Die Gläubigen, die in Berlin bleiben durften, fragten nun, wie es mit ihnen weitergehen sollte. Würde sich die Gemeinde nach Abzug des Militärs auflösen? Wir beteten mit der Familie, der Gemeinde in Paderborn und der Kontaktmission und waren uns einig, auf die Bitte der Geschwister einzugehen und in Berlin eine Gemeindegründung anzufangen. Wenige Tage später klingelte das Telefon und ein Pastor aus Berlin war am Apparat: „Wir waren als Pastoren zusammen und haben uns über die Problematik der Aussiedler ausgetauscht. Sie kommen 2- 3 Mal zu uns, dann bleiben sie weg. Jemand sagte, dass ihr unter den Menschen arbeiten wollt. Stimmt das? Kommt zu uns, ihr könnt unsere Räume dafür nutzen.“ Im September 1994 konnten wir unseren ersten Gottesdienst in Berlin-Lichtenberg halten. Wir versprachen unsern Kindern, die Gottesdienste schon bald in Deutsch durchzuführen. Doch bis heute ist der Großteil der Gemeindeaktivitäten in Russisch.
Meines Erachtens gibt es dafür zwei Ursachen:
1. Die Aussiedler und Ausländer, die nach Berlin kommen sind meist eine bunte Mischung aus verschiedenen Nationalitäten und Völkern. Die Sprache, mit der man die meisten von ihnen erreichen kann ist Russisch. Das Erlernen der deutschen Sprache geht nur sehr langsam vorwärts und ist nicht die Sprache, die „das Herz versteht“.
2. Die Menschen, die offen für das Evangelium sind, sind meist erst kurze Zeit in Deutschland. Neben dem Problem der Sprache und der Arbeitslosigkeit kommen sie anfangs mit dem deutschen System nicht gut klar. Sie haben das Paradies erwartet und sehen eine andere Realität. In dieser Zeit sind sie sehr offen für das Evangelium. Haben sie sich erst mal eingelebt, Freunde gefunden, dann brauchen sie Christus nicht mehr. Unsere Chance ist es, sie durch viel Hilfeleistung und praktische Liebe zum Herrn zu führen und so Gemeinde zu bauen. In Mt 28,19 sagt der Herr Jesus: „Geht nun hin und macht alle Nationen zu Jüngern …“ Ich freue mich, dass die Liebe Christi uns drängt, zu den verschiedenen Nationen, dieser Vielfalt, die der Herr gemacht hat.
Die Gemeinde in Berlin-Lichtenberg haben wir vor drei Jahren mit Schmerzen abgegeben und betreuen sie nur noch. Wir durften Brüder einsetzen, die den Dienst weiterführen. Die Gemeinde zählt heute knapp 200 Mitglieder und hat einige Missionare – ein Ehepaar in der Ukraine und zwei Ehepaare in Russland. Die neue Gemeindegründung in Berlin-Marzahn / Hellersdorf, die wir vor drei Jahren begonnen haben, wächst ebenfalls. Zurzeit zählen wir 65 Mitglieder und unterstützen ein Missionarsehepaar in der Ukraine.
Wir freuen uns, dass wir verschiedene Möglichkeiten in Berlin und Umgebung haben. Einige führen wir aus – mit Gottes Hilfe. Viele Hilferufe können wir allerdings nicht wahrnehmen. „Bittet den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter sende“ (Mt 9,38). Ich bete für Mitarbeiter, die noch etwas Russisch können. Es ist unsere Aufgabe, diesen Neuankömmlingen mit dem Evangelium zu begegnen. Einige Besucher haben Anfahrtszeiten von bis zu zwei Stunden. Wir stehen vor der Herausforderung, weitere Gemeinden in Berlin zu gründen. Vielleicht mit dir?
Johann Friesen
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