Ich habe vor meinem geistigen Auge das Bild der jungen Männer in meiner Familie, meiner Söhne und Schwiegersöhne, wie sei vor mir am Tisch sitzen und wir uns über die Lebensbereiche eines gottesfürchtigen Mannes unterhalten. Sie fragen mich: „Wie sollen wir damit umgehen? Sag uns, wie wir uns zur Gottesfurcht disziplinieren sollen, ohne gesetzlich zu werden.“ Meine Antwort darauf ist sehr persönlich.
1. Prioritäten setzen
Ich sage ihnen, dass ich damit beginnen würde, diverse Lebensbereiche durchzusehen, um sie dann auf verschiedene Listen zu schreiben – auf die eine Liste kämen jene Gebiete, in denen ich weniger Defizite habe, auf die andere meine Problembereiche. Um eine objektive Auflistung zu gewährleisten, könnte bei Verheirateten die Unterstützung des Ehepartners hilfreich sein. Bei Unverheirateten könnte ein geistlich reifer Freund helfen.
Im Anschluss würde ich meine Problembereiche der Dringlichkeit nach durchnummerieren – z. B. 1) sexuelle Reinheit, 2) Gedankenwelt, 3) Gebetsleben, 4) Zeugnisgeben, 5) Freigebigkeit, 6) Arbeit, 7) Freundschaft und 8) Leiterschaft. Dann würde ich mit dem ersten Punkt anfangen – in diesem Fall der sexuellen Reinheit –, die Unterpunkte in dem entsprechenden Kapitel dieses Buches noch einmal durchsehen und ein bis drei Dinge auswählen, die mir meiner Meinung nach am ehesten weiterhelfen. Dabei würde ich möglichst der Versuchung widerstehen, mich auf zu viele Bereiche zu konzentrieren. Es ist besser, in wenigen erfolgreich zu sein, als durch Übereifer Fehler zu begehen. In Bezug auf die sexuelle Reinheit würde ich zunächst vielleicht die Bibelstellen lernen, die mir helfen, mich vor Versuchungen zu schützen, und mir zudem keine erotischen Fernsehsendungen oder Filme ansehen. Ich könnte auch Gott vor Zeugen bitten, dass er mir Möglichkeiten zum Zeugnis gibt, und nach Gelegenheiten suchen, wo ich noch verlorenen Menschen begegnen könnte.
Nachdem ich meine Liste durchgegangen bin, hätte ich mir vielleicht zwanzig spezifische Punkte ausgesucht, die mir in meinen acht schwächsten Lebensbereichen hilfreich sein könnten.
2. Realistische Einschätzung
Doch bevor ich ins Detail ginge, würde ich noch einen realistischen und ehrlichen Blick auf die Gesamtliste werfen und mich fragen: „Ist es mir mit der Hilfe Gottes wirklich möglich, die Ziele in den ausgesuchten Bereichen anzustreben?“ Wenn ich hinsichtlich meiner Gedankenwelt so sehr bestrebt bin, eine Veränderung herbeizuführen, dass ich mir vorgenommen habe, das Alte Testament einmal und das Neue Testament zweimal im Jahr durchzulesen – und zusätzlich noch das Buch Krieg und Frieden im Januar, dann habe ich mir etwas wohl nicht gut genug überlegt!
Wäre es nicht ein weitaus realistischeres Ziel, ein Jahr für das Neue Testament zu veranschlagen und in den Monaten Januar bis April Krieg und Frieden durch zu bekommen, wenn Sie ansonsten nicht viel lesen? Gehen Sie sicher, dass Ihre Pläne Arbeit für Sie bedeuten, aber seien Sie sich ebenso sicher, dass sie alles in allem auch durchführbar sind. Es ist besser, Ihre Ziele bei Erfolg zu erweitern, als sich mehr vorzunehmen, als Sie erreichen können. Ein Erfolgserlebnis ist eine gute Ausgangsbasis für ein weiteres.
3. Beten sie
Bevor Sie Ihre Vorhaben in die Tat umsetzen, sollten Sie sich eine Woche Zeit nehmen, um darüber nachzudenken und dafür zu beten. Suchen Sie die Führung des Heiligen Geistes, um auch andere Möglichkeiten persönlicher Disziplin kennenzulernen, als die in diesem Buch beschriebenen.
4. Legen Sie Rechenschaft ab
Bitten Sie Ihre Ehepartnerin oder einen Freund, auf Ihre Fort- oder Rückschritte zu achten. Stellen Sie sicher, dass Sie sich regelmäßig mit ihr bzw. ihm beraten und beten – auch wenn es nur telefonisch geht. Seien Sie bezüglich Ihrer Siege und Niederlagen ehrlich. Und zeigen Sie Ihre Bereitschaft, auf Ratschläge einzugehen und Korrekturen vorzunehmen.
5. Falls Sie Schwierigkeiten bekommen
Zweifelsohne werden Sie Probleme bekommen und gelegentlich sogar total versagen. Wenn das eintrifft, können Ihr verletzter Stolz und Ihre Beschämung Sie dazu bringen, Ihre Sachen am liebsten gleich packen zu wollen und aufzugeben. Wir mögen Dinge nicht, in denen wir versagen. Aber wir müssen erkennen, dass Fehlschläge ein Teil des Erfolges sind – wir gestehen unser Versagen ein und starten einen neuen Versuch. Außerdem stehen wir nicht unter dem Gesetz, sondern in der Gnade. Gott rechnet uns unser Versagen nicht zu, und mit unseren Erfolgen sammeln wir uns auch keine Verdienste bei ihm. Wir versuchen einfach nur, ein diszipliniertes Leben zu führen, das unserem liebenden Vater gefällt – und er hat mehr Verständnis für unser Versagen, als wir gegenüber unseren eigenen Kinder.
Gnade zur Disziplin
Der Mann, der sich in Weisheit zur Gottseligkeit diszipliniert, kennt die Notwendigkeit von Prioritäten, einer realistischen Einschätzung, dem Gebet, der Verantwortlichkeit und ist sich bewusst, dass Fehlschläge zum Erfolg gehören, aber seine größte Weisheit und Kraft liegt in seinem Verständnis von der Gnade. Alles in seinem Leben entspringt der Gnade Gottes – sola gratia – Gnade allein!
Die Errettung geschieht allein aus Gnade. Wir waren tot in unseren Vergehen und Sünden, von dunklen Mächten gefangen, nicht fähig, als ein Toter unsere eigene Errettung zu bewirken.
„Gott aber, der reich ist an Barmherzigkeit, hat … auch uns, die wir in den Vergehungen tot waren, mit dem Christus lebendig gemacht – durch Gnade seid ihr errettet! … Denn aus Gnade seid ihr errettet durch Glauben, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme“ (Eph 2,4.5.8–9).
Wir sind durch die Gnade Gottes gerettet worden, durch seine unverdiente Gunst. Wie Paulus unmissverständlich deutlich machte, vermindert selbst ein noch so kleiner Anteil von guten Werken die errettende Gnade:
„Wenn aber durch Gnade, so nicht mehr aus Werken; sonst ist die Gnade nicht mehr Gnade“ (Röm. 11,6).
Solo gratia.
So wie die Errettung allein aus Gnade ist, ist es auch das christliche Leben. Hinsichtlich der allgemeinen Erfahrung des Gläubigen in dieser Welt trifft Jakobus diese überwältigende Feststellung: „Er gibt aber desto größere Gnade“ (Jak 4,6). Damit ist nicht die errettende Gnade gemeint, sondern die Gnade, die uns zu einem christlichen Leben in dieser gefallenen Welt befähigt — „größere Gnade“.
Angepasster Auszug aus dem Buch «Mann mit Profil» von Kent Hughes.